
Emmanuel Petit
General Partner, Head of Fixed Income
Die Aussicht auf weitreichende Zinssenkungen wurde von einer komplexeren geopolitischen Realität überholt. Handelskonflikte – insbesondere durch die Einführung neuer Zölle durch die Vereinigten Staaten – haben den Inflationsdruck erneut angeheizt, was zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen und zu Sorgen über den wirtschaftlichen Kurs der USA geführt hat. Die einjährigen Inflationserwartungen übersteigen mittlerweile 3,3 %1, und die Unsicherheit wächst angesichts volatiler Wirtschaftsindikatoren. In diesem Kontext bleibt die US-Notenbank Federal Reserve vorsichtig –sehr zum Missfallen von Donald Trump. Der US-Präsident hat sich sogar auf einen offenen Konflikt mit dem Fed-Vorsitzenden eingelassen, der bislang standhaft bleibt und den Status quo beibehält, da er die wirtschaftliche Lage nicht für geldpolitische Lockerungen geeignet hält. Der US-Arbeitsmarkt bleibt stark, Unternehmen erzielen weiterhin solide Gewinne und zeigen keine Anzeichen für Anpassungen ihrer Lohnpolitik. Infolgedessen scheint sich eine Preis-Lohn-Spirale zu etablieren, und Anleger, die zu Jahresbeginn noch mit vier Zinssenkungen rechneten, erwarten nun nur noch zwei. Gleichzeitig führt das wachsende US-Haushaltsdefizit zusammen mit der seit 2022 laufenden quantitativen Straffung der Fed zu einem Anstieg des Nettoangebots an Staatsanleihen. Nahezu 30 % der US-Schulden müssen im Jahr 2025 refinanziert werden. Ein Wert, der über dem historischen Durchschnitt von rund 22 %2 liegt, während das Kreditrating des Landes kürzlich herabgestuft wurde. Angesichts eines Leitzinses zwischen 4,25 % und 4,75 % stellt sich die Frage nach der Tragfähigkeit dieser Schulden. Ausländische Investoren, allen voran China, scheinen sich von dieser Anlageklasse abzuwenden, was den Druck auf die langfristigen Zinsen erhöht und die Sorge vor einem breiteren Rückzug internationaler Investoren schürt. Das Vertrauen in den US-Dollar selbst könnte zu bröckeln beginnen. Die geldpolitische Divergenz hat sich in den letzten Monaten verschärft, da die EZB weiterhin Zinssenkungen vornimmt und dabei ein gleichmäßiges Tempo beibehält. Nach einer letzten Senkung im Juni wird bis Jahresende eine weitere erwartet. Zudem haben Konjunkturprogramme in Deutschland und Europa zu einer Erholung in der Eurozone geführt. Auch wenn diese nur moderat ausfällt, bleibt die wirtschaftliche Dynamik Europas erhalten. Der wachsende Finanzierungsbedarf stützt die langfristigen Zinsen und führt zu einer Versteilung der Zinskurve. Während die Tragfähigkeit staatlicher Schulden zunehmend hinterfragt wird, zeigen Unternehmen starke Fundamentaldaten, die ihnen helfen könnten, potenzielle makroökonomische Schocks zu überstehen. Seit Jahresbeginn tendieren Anleger dazu, Kreditpapiere zu bevorzugen. Hohe Zinsen in Kombination mit spezifischen Kreditaufschlägen ermöglichen höhere Renditen als Staatsanleihen. In diesem Umfeld verfolgen wir eine vorsichtige und opportunistische Positionierung. Der Markt könnte auf Donald Trumps jüngste Kehrtwenden zur Verschiebung der Zolldurchsetzung zu optimistisch reagieren. Die Zölle liegen weiterhin über dem Niveau vor seiner Amtszeit, und wir warten auf die Entwicklungen nach Ablauf der 90-tägigen Pause. Daher bleiben wir gegenüber besonders exponierten Sektoren wie der Automobilindustrie wachsam. Gleichzeitig halten wir eine signifikante Allokation in Finanzwerten, die wir nach der Korrektur im April weiter ausgebaut haben. Wir sind weiterhin vom Potenzial dieser Anlageklasse überzeugt, gestützt durch die soliden Fundamentaldaten der Akteure. Wir haben die Zinssensitivität unserer Portfolios schrittweise reduziert, als die Zinsen sanken. Gleichzeitig haben wir die Laufzeiten bei neuen Zuflüssen verlängert, um Verwässerung zu vermeiden und von der Versteilung der Zinskurven zu profitieren. Innerhalb des Investment Grade3 Segments bieten unserer Ansicht nach die am besten bewerteten Anleihen mit Laufzeiten von 5 bis 10 Jahren die attraktivsten Chancen aufgrund ihrer Überrendite. Der Carry macht diese Anlageklasse von Natur aus attraktiv, und die Entkopplung zwischen Spreads und Zinsen mildert ihre Volatilität, da sich beide Effekte gegenseitig ausgleichen. Wir betrachten die aktuelle Lage daher als relativ komfortabel. Credit bleibt trotz der Volatilität im April teuer, aber die Renditen sind angesichts des Zinsniveaus weiterhin attraktiv. Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind stark, Kapitalzuflüsse – insbesondere im Investment-Grade-Bereich – sind vorhanden und es ergeben sich punktuell Chancen. Die vorherrschende Unsicherheit veranlasst uns zwar zur Vorsicht, schafft aber auch Gelegenheiten. Diese Situation rechtfertigt es Liquiditätsreserven vorzuhalten, um bei attraktiveren Bewertungen schnell zugreifen zu können. In einem Umfeld, in dem Ankündigungen oft den realen Auswirkungen vorausgehen, bleiben Disziplin und Reaktionsfähigkeit unsere besten Werkzeuge.