
Anthony Bailly
Head of European Equity
Die internationalen Indizes gaben im Juni stark nach, da die Zinsen steigen und inzwischen auch das Rezessionsgespenst umgeht. Entsprechend verzeichnete der Eurostoxx (bei Wiederanlage der Dividenden) im Berichtsmonat einen starken Einbruch um 9,4%(1). Der Juni war für sämtliche Märkte eine harte Prüfung und setzte den Schlusspunkt hinter ein besonders kompliziertes erstes Halbjahr mit hohen Performanceeinbußen. Europäische Aktien verzeichneten ihr schlechtestes Halbjahr seit 2008, US-Aktien erlitten den stärksten Einbruch seit 50 Jahren.
Die Beschleunigung des Abwärtstrends ist der Sorge um die Wachstumsaussichten zuzuschreiben. Auch die Einkaufsmanagerindizes (PMI)(2) in der Eurozone gaben nach, so dass der PMI-Gesamtindex(3) im Juni auf 51,9 Zähler sank (Konsens: 54 Punkte)(1). Diese Sorgen werden durch Inflationsdaten geschürt, deren stetiger Anstieg überrascht und die Zentralbanken in Alarmbereitschaft versetzt. Diese Daten bestätigen einen Anstieg um über 8% in Europa im Mai, während sich die US-Inflation im Mai auf 8,6% beschleunigte, gegenüber 8,3% im April(1). Angesichts dieser Sachlage entschloss sich die US-Notenbank Fed, ihre Leitzinsen um 75 Basispunkte (bp) zu erhöhen — dies ist der größte Zinsschritt seit 1994(4). Gleichzeitig kündigte die EZB die beginnende Normalisierung ihrer Geldpolitik mit einer ersten Zinsanhebung um 25 bp im Juli(5)an und beendete zudem ihr Anleihenrückkaufprogramm. In China könnte es dagegen zu einer Aufhellung des Wirtschaftshorizonts kommen. Die allmählich Lockerung der Lockdown-Maßnahmen der Null-Covid-Politik ermöglicht eine leichte Verbesserung der Konjunkturdaten, obwohl sie noch auf relativ niedrigen Niveaus verharren. Der Caixin-PMI-Gesamtindex stand im Juni bei 42,2 Zählern, nach 37,2 Punkte im Mai(1).
Nach einem deutlichen Anstieg der Renditen in der ersten Monatshälfte wurde das Renditeniveau in der zweiten Monatshälfte durch Konjunktursorgen belastet. Die Rendite 10-jähriger US-Anleihen zog um 20 bp an und schloss den Monat nach 3,47% am 14. Juni bei 3,01%. In Europa schloss die Bundesanleihe(6) mit 1,33%, nachdem sie einen Höchststand von 1,77% (1) erreicht hatte.
Von dieser drastischen Korrektur im Monatsverlauf wurden die zyklischen Sektoren besonders in Mitleidenschaft gezogen. Am heftigsten getroffen wurde der Rohstoffsektor, der sich seit Jahresbeginn sehr gut behauptet hatte. Herbe Rückschläge verzeichneten ferner die Sektoren Immobilien, Freizeit und Reisen sowie die Automobilbranche. Umgekehrt erzielten die defensiven Sektoren eine deutliche Überperformance: Gut behaupten konnten sich Konsumgüter, der Lebensmittelhandel und Telekommunikation.
Dieses Umfeld verlieh dem Growth-Stil Auftrieb, der mit einem Minus von 7,7% am besten abschnitt, während der Value-Stil im Monatsverlauf 11,0% verlor(1). Seit Jahresbeginn weisen Value- gegenüber Growth-Aktien jedoch einen Vorsprung von 10,7% auf(1).
An der Unternehmensfront sind in den Unternehmensergebnissen noch keine Anzeichen für eine Abschwächung der Wirtschaftsaktivität erkennbar. Der Optimismus der Analysten ist ungebrochen, ihre Prognosen sind im Vorfeld der halbjährlichen Berichtssaison besonders hoch. Sie rechnen für das Jahr 2022 mit einem Anstieg der Unternehmensgewinne in Europa um 13,3% und um 5,4% für 2023(7).
Nach der hohen Überperformance im Mai büßte der R-co Conviction Equity Value Euro im Juni 11,8% ein und schloss mit einem Rückstand von 2,4% auf seinen Referenzindex(8), so dass seine Überperformance seit Jahresbeginn auf 2,35%(9) gesunken ist. Die Unterperformance im Juni ist zu einem Drittel dem Allokationseffekt zuzuschreiben, vor der Übergewichtung des Bankensektors und der Untergewichtung des Konsumgütersektors. Der Rest resultiert aus der Unterperformance bestimmter zyklischer Werte, die wie Arcelor, Saint Gobain, Alstom, Faurecia und Atos von der Sorge um die makroökonomische Entwicklung belastet wurden.
Die Investoren preisen inzwischen mit zunehmender Wahrscheinlichkeit eine Rezession ein. Mit Blick auf die jüngsten Inflationsdaten und angesichts der Frühindikatoren, die auf eine beginnende Trendwende hinweisen, scheint das Rezessionsszenario immer wahrscheinlicher. Um die Auswirkungen in Grenzen zu halten, müssten die Regierungen mit ihren Konjunkturhilfen vorrangig den einkommensschwächsten Haushalten unter die Arme greifen, damit sie die Hochinflationsphase überstehen können, denn im Gegensatz zu wohlhabenden Haushalte können sie nicht auf ihr Erspartes zurückgreifen. Außerdem müssten die Rohstoffpreise in den kommenden Monaten sinken — die Märkte glauben jedoch immer weniger an diese Möglichkeit. Einer Studie von Goldman Sachs zufolge ist eine zyklische Rezession, wie diejenige, die sich abzeichnet, in der Regel von einem Rückgang der Indizes um 30% gekennzeichnet und dauert durchschnittlich zwei Jahre. Der Rückgang um fast 20% seit Jahresbeginn ist somit rasant und entspricht einem impliziten Rückgang der Gewinne je Aktie um rund 15%. Bis 30% wären es also noch rund 10%, wenn man dieses Szenario zugrunde legt. Dieser letzte Teil des Abwärtspotenzials könnte sich konkretisieren, wenn die Analysten ihre Gewinnprognosen nach unten korrigieren und so den konjunkturellen Abschwung — sofern er eintritt — letztendlich attestieren.
Um unser Portfolio für das gestiegene Rezessionsrisiko zu wappnen, haben wir die defensive Komponente des Fonds von 18% Ende Mai auf 28% Ende Juni hochgefahren. Entsprechend beschränkten wir unsere Exposure in den zyklischen Sektoren, deren Entwicklung durch einen möglichen Rückgang der Gewinne je Aktie in den kommenden Monaten belastet werden könnte. Wir sind allerdings nach wie vor von der Qualität der Aktien dieser Sektoren in unserem Portfolio überzeugt und werden uns erneut in diesen Werten positionieren, wenn der Markt die Wachstumsperspektiven im Einklang mit der Eintrübung des makroökonomischen Horizonts eingepreist hat.
Entsprechend haben wir die Gewichtung des Bausektors um fast 3% durch die Reduzierung unserer Positionen in Saint Gobain und Eiffage gesenkt; gleichzeitig wurde der Anteil der Medienwerte durch den Verkauf von Atresmedia (ein spanisches TV-Unternehmen) um 1% verringert.
Um fast 2% gesenkt wurde auch die Gewichtung des Automobilsektors durch die Reduzierung von Stellantis und Mercedes im Portfolio. Zudem reduzierten wir den Freizeit- und Reisesektor durch den Verkauf unserer Position in Accor und durch die Verringerung von IAG.
Gleichzeitig stockten wir defensive Werte auf, hauptsächlich aus den Sektoren Gesundheit (Sanofi), Nahrungsmittel und Getränke (Danone), Versorgung (EDP und Veolia Environnement), Telekommunikation (KPN, Orange und Deutsche Telekom) und Handel (Carrefour).
Erhöht wurde auch die Position in TotalEnergies im Energiesektor. Dieser Sektor besitzt im derzeitigen geopolitischen Umfeld unserer Ansicht nach defensive Merkmale. Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist noch immer hoch, gleichzeitig ist der derzeitige Barrelpreis noch nicht in den Bewertungen der Unternehmen dieses Sektors eingepreist. Selbst bei einem Rückgang der Nachfrage in Europa und Nordamerika dürften die im zweiten Halbjahr erneut anziehende Nachfrage in China und diverse Verwerfungen des Angebots den Barrelpreis auf einem hohen Niveau stabilisieren und dem Sektor somit eine anhaltende Überperformance bescheren.
Ansonsten haben wir unsere Position in Arcelor aufgestockt. Die Aktie dürfte von der sich abzeichnenden Erholung in China profitieren — sie wurde trotz einer sehr soliden Unternehmensbilanz durch die Rezessionsängste stark in Mitleidenschaft gezogen.
Die starke Übergewichtung des Bankensektor blieb unverändert, denn die Diskrepanz zwischen Zinsniveau und Performance des Sektors erscheint uns nicht gerechtfertigt. Der Bankensektor entwickelt sich im Gleichschritt mit dem Markt, da die Anleger derzeit nur die gestiegenen Risikokosten und die rückläufigen Kreditvolumina berücksichtigen. Der Sektor zeichnet sich aber durch seine hohe Solvabilitätskennzahl aus; außerdem wurden die während der Pandemie gebildeten Rückstellungen größtenteils noch nicht aufgelöst. Darüber hinaus wird der Sektor von einem positiven Basiseffekt auf die Verzinsung der Einlagen bei der EZB profitieren. Die Tatsache, dass sich die Zinsen wieder in positivem Terrain bewegen, wird jetzt — nachdem sie in der Vergangenheit einen hohen Zoll gefordert hatten — zu einer Ertragsquelle für den Sektor. Letztendlich stellt der Anstieg der Zinsen ein extrem positives Element für die Zinsmargen der Banken dar, da die Ergebnisse des Sektors stark von der Zinsentwicklung abhängig sind.
Redaktionsschluss: 7. Juli 2022
(1) Quelle: Bloomberg, Stand: 30.6.2022
(2) PMI (Purchasing Manager’s Index), auch als Einkaufsmanagerindex bezeichnet, ist ein Indikator für das Vertrauen der Einkaufsmanager eines Sektors. Ein Indexstand von über 50 Zählern deutet auf eine Expansion, von unter 50 Punkten dagegen auf eine Kontraktion der Wirtschaft hin.
(3) Der Index umfasst das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor.
(4) Quelle: Federal Open Market Committee (FOMC), 15. Juni 2022.
(5) Quelle: Auszug aus einer Rede von Christine Lagarde vom 9. Juni 2022.
(6) Referenzanleihe des deutschen Staates, die mit der französischen OAT (Obligation Assimilable du Trésor) vergleichbar ist. Der Zinssatz der Bund (Bundesanleihe) mit einer Laufzeit von 10 Jahren gilt nicht nur als Referenz für den deutschen Markt, sondern auch für die europäischen Märkte.
(7) Quelle: Goldman Sachs, European Weekly Kickstart, 27.6.2022.
Die Zahlenangaben beziehen sich auf vergangene Monate. In der Vergangenheit erzielte Renditen sind keine Gewähr für künftige Wertentwicklungen, deren Entwicklung im zeitlichen Verlauf nicht konstant ist. Die Performance wird in Euro mit Wiederanlage der Nettodividenden berechnet. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen stellen weder eine Anlage- oder Steuerberatung noch eine Anlageempfehlung von Rothschild & Co Asset Management Europe dar.